Erlebnis Archäologie IN Georgien
Grakliani Gora
Mit dem Steakmesser durch die Jahrhunderte - Abenteuer Archäologie
Aktivurlaub Archäologie in Georgien
Manche von uns waren schlau genug, sich ihr eigenes Grabungswerkzeug mitzunehmen. Der Personalzuwachs an unserem ersten Arbeitstag kam für die Georgier scheinbar ein wenig überraschend. Man entsandte eine Depeche zum nächsten Greissler, um mehr Werkzeug für das vergrößerte Team zu besorgen - alles im Hintergrund und ganz unbemerkt, während wir von Prof. Licheli in die Geschichte des Grakliani Hill eingeführt wurden.
Als wir unsere Arbeitsplätze einnehmen möchten, bringt uns eine der Studentinnen einen Eimer, gefüllt mit Pinseln in allen Breiten und Längen und: Steakmessern. Diese 1 €-Dinger aus richtig dünnem und zum Glück flexiblem Stahl.
Ja, ich habe es bereits im vorherigen Artikel erwähnt, finde es aber noch immer unglaublich innovativ und deshalb hier bemerkenswert, mit Messern durch die Jahrtausende zu wühlen. Dass der Pinsel nicht immer der Freund der Archäologen ist, brauche ich nicht noch einmal zu schreiben.
Nun, die Überraschung war groß. Wie sollen wir ernsthaft mit einem Messer graben? Doch mein Unmut und meine Vorurteile gegenüber dem Steakmesser waren gewissermaßen unbegründet, wie ich bald lernen sollte. Es ist nämlich erstaunlich praktisch, um den getrockneten Lehm aus den Versturzschichten damit förmlich zu durchschneiden. Auch die sehr stark aschehaltigen Siedlungsschichten konnten mit einem Messer gut abgetragen werden, solange es einigermaßen scharf geblieben ist. Um es kurz zu halten: Man kommt in Ecken und Winkel ganz gut rein, die flexible Klinge hat Vorteile, und eine scharfe Klinge ermöglicht schön geputzte Oberflächen. Dennoch würde ich eine scharfe Kelle (die verlinkte Kelle muss allerdings noch geschärft werden) oder diverse japanische Gartenwerkzeuge bevorzugen. Wer also nach Grakliani Gora mitfährt, darf ruhig an sein eigenes Werkzeug denken und trotzdem das Erlebnis Steakmesser ausprobieren.
Das Abenteuer Archäologie geht los!
Es geht los!
In unserem Quadranten (in Grakliani Gora teilt man die Grabungsfläche in Quadranten ein, also zB. A4 oder H7, je nach Lage) zeigte sich zu unserer Ankunft bereits ein großer, rechteckiger orange gefärbter Fleck. Es muss hier also große Hitzeeinwirkung gegeben haben. Bei diesem Brennprozess reagieren eisenhaltige Teile, die im Lehm vorhanden sind, mit Sauerstoff und färben sich dadurch rötlich - man kann sich das ungefähr so wie den Prozess des Rostens vorstellen, auch wenn bei diesem keine Hitze involviert ist, aber beides wird orange-rot.
Rings um den orangen Fleck sehen wir neben Menschen, Werkzeug und Staub, zwei unterschiedlich gefärbte Erdschichten: eine gelblich-lehmige und eine gräuliche, die direkt um den orangen Fleck herum liegt. Man muss sich nun vorstellen, dass die lehmig-gelbe Schicht über der gräulichen liegt und einen Hangrutsch irgendwann zwischen Eisen- und Bronzezeit darstellt, der die Siedlung der Bronzezeit überdeckt. Die graue Schicht stammt aus der Zeit der Aufgabe der bronzezeitlichen Siedlung und beinhaltet viel Holzkohle, Abfälle wie Knochen oder Scherben und große Mengen Asche. Wahrscheinlich hat es hier ein Schadfeuer gegeben, nach dem die Hütte nicht wieder aufgebaut worden war. Diese graue Schicht ist im Laufe der Zeit durch das Schadfeuer und natürliche Erosion, mehr oder weniger schnell, in die ruinöse Hütte eingedrungen und hat die Reste des Hausinventars - unter anderem den Ofen - zugedeckt und so sehr gut konserviert.
Heilige Öfen - Ein Feuerkult der Bronze- und Eisenzeit - Abenteuer Archäologie
Ständig ist die Rede von Öfen.
Es gibt sie auch zahlreich - nicht nur aus Grakliani Gora sind sie bekannt. Wie schon auf der Hauptseite unseres Grabungskurses beschrieben, steht in jedem Haus der Bronze- und auch Eisenzeit solch ein Ofen. Sein Hauptzweck dürfte einem Kult gedient haben, der auf Zarathustra zurückgeführt werden kann und persischen Ursprungs ist. In diesen Öfen wurden heilige Brote gebacken und Opfergaben niedergelegt, die mit diesem Feuerkult in Verbindung gebracht werden können. Neben den Öfen finden sich auch reine Feueraltäre, wie jener, der die ältesten Schriftzeichen Georgiens trägt. Im Bild rechts sieht man einen in situ rekonstruierten Ofenbefund, der zur Veranschaulichung mit einem Querschnitt versehen wurde, der einen Einblick ins Innere ermöglicht. Die Öfen sind in der Regel mit einfachen Ornamenten verziert, manchmal auch mit Schriftzeichen, die laut Prof. Licheli mit frühsemitischen vergleichbar sind. Sicherlich dienten die Anlagen auch profanen Zwecken, so wurde das gebackene Brot wohl auch verzehrt und vielleicht beheizte man den Raum auch regelmäßig damit. Wie die Aufteilung zwischen alltäglicher und ritueller Nutzung war, lässt sich schwer nachvollziehen, sicher ist jedoch, dass die Öfen intensiv genutzt wurden, da sowohl sie selbst, die Aschebehälter und die Siedlungsschichten große Mengen Asche enthalten.
Wir graben weiter in die Tiefe.
Dabei wird uns klar, dass der Prozess der Verfüllung unserer kleinen Hausruine nicht durch ein einzelnes Ereignis vonstatten gegangen ist. Beim Abtragen der obersten grauen Schicht stoßen wir nämlich schon nach wenigen Zentimetern auf eine weitere Schicht, die sich von der darüber liegenden und somit jüngeren ganz klar unterscheidet. Sie beinhaltet kaum Lehm, sondern besteht fast nur aus Asche und Kohlesplittern, muss also zu einem anderen Zeitpunkt an Ort und Stelle abgelagert worden sein. Solche Informationen sind von großer Bedeutung für die detaillierte wissenschaftliche Aufarbeitung einer Ausgrabung und müssen sorgfältig dokumentiert werden. Denn es gilt weiterhin: Einmal weggegraben, ist der Befund unwiederbringlich zerstört - er kann kein zweites Mal ausgegraben werden. Die genaue Dokumentation, also Fotografie, Vermessung und schriftliche Aufzeichnung ist alles, was nach der Ausgrabung übrig bleibt und den Prozess für die nächsten Generationen bewahrt bzw. bewahren kann, sofern die Dokumentation nachvollziehbar durchgeführt wird. Spätestens an dieser Stelle sollte jedem klar sein, dass Archäologen nicht nur wahllos Löcher in den Boden wühlen, um bedeutende Artefakte zu finden. Nein, es geht vielmehr um die kleinen Informationen, die das große Gesamtbild formen - beispielsweise eine genaue botanische Untersuchung der organischen Reste in dieser oben erwähnten Ascheschicht. Darin befinden sich verkohlte und somit konservierte Pollen, Holzreste und Getreidesamen, die uns Aussagen über Ernährung und Flora zu jener Zeit treffen lassen.
Digitale Vermessung - Aktivurlaub Ausgrabung
Dreidimensionale Verewigung
Eine mittlerweile weitverbreitete, effiziente und moderne Methode zur detaillierten Dokumentation von archäologischen Schichten, ist das Generieren von 3D-Modellen aus zahlreichen Fotos, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen wurden. Das ganze nennt man meist SFM - Structure from Motion. Theoretisch ist es damit möglich, eine Ausgrabung schichtweise zu rekonstruieren. Dazu muss allerdings immer vor dem Abtragen einer neuen Schicht ein komplettes 3D-Abbild geschaffen werden. Diese jeweiligen Modelle werden dann in der Software miteinander verbunden und man kann dann, wenn man es ein wenig mit Fantasie betrachtet, durch den Ausgrabungsschnitt "durchblättern", in dem man die jeweiligen Phasen ein- oder ausblendet. Das ganze ergibt natürlich nur Sinn, wenn man dem natürlichen Verlauf der Ablagerung folgt und keine künstlich geschaffenen Horizonte bzw. Plana dokumentiert. So erhält man ein dreidimensionales Abbild zB. der jeweiligen Versturzschicht oder eben eines Fußbodens mitsamt all seiner Unebenheiten. Diese Modelle sind zentimetergenau und dienen somit auch nachträglich bei der Aufarbeitung der Ausgrabung, wenn man gewisse Strukturen nochmals, vom PC aus, vermessen will. Ist das nicht großartig?
Wir haben ein solches Modell vom Hausbefund gemacht, an dem wir in Grakliani gearbeitet haben. Es erfasst eine der Phasen wenige Wochen bis Monate nach der Zerstörung des Hauses. Regen und Wind haben den aus Lehm gebauten Ofen schon teilweise zerstört. Zerbrochene Gefäße liegen direkt in oder auf dieser rötlichen Lehmschicht, die einst den Ofen bildete. Zu diesem Zeitpunkt ist der Fußboden aber noch nicht erreicht. Auf ihm liegen noch andere Strukturen, die vorher abgetragen und dokumentiert werden müssen.
Eine vereinfachte Version des 3D-Modells kann hier angesehen werden: klick
Unterhalb siehst du drei Bilder vom Hausbefund. Links das 3D-Modell von oben. Mittig ein normales Foto. Rechts ein Detail aus dem 3D-Modell mit Beschreibung.
Graben, essen, schlafen, wiederholen.
Was gehört zu einem Auslandsaufenthalt, egal ob Arbeit oder Urlaub, neben tollen Landschaften, Besuchen bei Ausgrabungen, Besuchen von archäologischen Museen und Besuchen von alten Steinhaufen - wie viele noch-nicht-von-Archäologie-Begeisterte gerne sagen - noch dazu? Richtig! Das Essen.
Das ist in Georgien gut, richtig gut. So gut, dass ich es zu Hause sogar regelmäßig nachkochen muss, weil ich Entzugserscheinungen habe.
Wir haben in Georgien nicht nur die touristische Wirtshausküche, sondern auch die tatsächlich einheimische Kost kennengelernt.
Im Restaurant beginnt man gerne mit einem "Georgian Salad", das ist eine Mischung aus Tomaten, Gurken, rotem Zwiebel und einer Marinade aus Öl, Salz, Estragon oder Kerbel, Pfeffer und vielen gemahlenen Walnüssen. Dazu gibt es ganz weiches Weißbrot.
Wenn wir bei Georgiern zu Gast sind, wird gerne frisches Gemüse auf der Tafel kredenzt, gemeinsam mit eingelegten Gurken, Brot und einem Bohneneintopf mit ein wenig Fleisch.
Die Hauptspeisen sind vielfältig und ich möchte hier garnicht allzuviel darüber schreiben, sondern nur meine Lieblinge aufzählen. Bemerkenswert ist die ganz eigenständige Verwendung und Mischung von Gewürzen, wie ich sie sonst noch nie erleben durfte.
Eine meiner Lieblingsspeisen ist Chicken Shkmeruli: ein ganzes Huhn in einer Eisenpfanne gebraten, dann im Ofen gebacken und in einer Milch-Butter-Knoblauchsauce nachgegart. Ganz fein ist auch Tuskaphati: Blätterteigtaschen, gefüllt mit Hackfleisch und ganz vielen Kräutern, werden einer kräftigen ungebundenen Sauce auf Rindsuppenbasis mit viel Estragon und Rosinen beigelegt. Die Portionen sind unmenschlich - Teilen ist figurfreundlicher.
Auch Suppen spielen eine große Rolle - ganz zu meiner Freude. Zum Beispiel gibt es die Sauce des Tuskaphati auch als richtige Suppe mit unglaublich ungewohntem, säuerlichen Geschmack und ganz viel frischem Estragon. Besonders toll ist auch die Pelmeni Soup. Eine Suppe auf Milchbasis mit Chiliflocken, mit Teigtäschchen als Einlage. Ich freue mich schon wieder auf Georgien!
Im nächsten Artikel geht es dann um Mzcheta, der kleinen einstigen Königsstadt in der wir nächtigen und um einige besondere Ausflugsziele.
Wenn dich die Lust gepackt hat, Georgien mit uns archäologisch und kulinarisch zu erkunden, melde dich zum Grabungskurs in Grakliani Gora an.
Termine 2020: 20. - 29. September 2020, im Vorfeld findet eine Studienreise mit Prof. Vakhtang Licheli statt.
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